Leo Statz

geboren am 17.7.1898

hingerichtet am 1.11.1943 in Berlin

Direktor, Liedermacher

Gegner der nationalsozialistischen Ideologie

Todesurteil durch den Volksgerichtshof

Am 5.2.1944 meldete die Rheinische Landeszeitung unter der Überschrift: Ein Volksverräter „DNB Berlin, 4.2. Der Volksgerichtshof hat den 45 Jahre alten Leo Statz aus Birresborn zum Tode verurteilt. (...)" Die Meldung bezog sich auf Ereignisse aus dem Jahre 1943, ein Tatbestand der im Text unerwähnt blieb.

Wer war dieser „Birresborner", und "welches war sein todeswürdiges Verbrechen, "wie wurde er zum „Volksverräter"?

Leo Statz war seit 1927 Vorstand und Direktor bei der Birresborner Mineralbrunnen AG Düsseldorf und Birresborn. In dieser Rolle wurde er „Birresborner". Sein Lebensmittelpunkt und privater Wirkungskreis lag für den am 17.7.1898 in Köln geborenen Sohn eines Juristen im Staatsdienst in Düsseldorf. An dieser Stadt, in die er noch im Grundschulalter mit seinen Eltern übergesiedelt war, hing er mit ganzem Herzen.

Er war Präsident der Düsseldorfer Karnevalsvereine, zählte zum inneren Kreis um den Präsidenten des Heimatvereins der „Düsseldorfer Jonges", den Bäckermeister Willy Weidenhaupt, der alles andere als ein Freund der Nationalsozialisten war. Statz schrieb Heimatgedichte und Karnevalslieder. Als Gelegenheitsautor beantragte er die Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer. Deren Präsident erkundigte sich bei der Staatspolizei (Stapo) in Düsseldorf nach der politischen Zuverlässigkeit des Antragstellers. Die Dienststelle der Stapo Düsseldorf wiederum fragte bei der Kreisleitung der NSDAP in Düsseldorf nach, um dem Präsidenten der Reichsschrifttumskammer antworten zu können. Hier zeigt sich, dass die Stapo (auch Gestapo= Geheime Staatspolizei), die über sehr viel weniger Personal verfügte, als gemeinhin angenommen wird, auf die Einrichtungen der Partei angewiesen war, wenn das Volk bzw. einzelne „Volksgenossen" überwacht werden sollten. Mit anderen Worten: Es bedurfte der Spitzel und der Denunzianten. – Eine Stapo - Akte Leo Statz wurde ab 1934 geführt!

Soweit die Schriftwechsel der Dienststellen erhalten sind, lässt sich das Bild erkennen, das Partei und Stapo von Statz hatten. Letztlich wird fast der gesamte Lebenslauf des Mannes aus diesen Unterlagen sichtbar.

Als Abiturient meldete er sich mit 17 Jahren freiwillig als Fahnenjunker zum Heeresdienst. 1916 - 1918 nahm er als Offizier am l. Weltkrieg teil, Von 1931 bis zur ihrer erzwungenen Auflösung im Sommer 1933 war er Mitglied der Zentrums-Partei. Als politisch aktiver Katholik stand er dem Nationalsozialismus äußerst kritisch gegenüber. Diese Haltung verstärkte sich, als sein Vetter, Ministerialdirektor Dr. Erich Klausner (ebenfalls ehemals Zentrum) am 30.6.1934 in seinem Büro in Berlin von SS Leuten erschossen worden war. Der Kreisleiter der NSDAP in Düsseldorf verweist in einem Schreiben an die Stapo darauf, dass Statz erst auf intensives Drängen der Partei im April 1938 eine Hakenkreuzfahne angeschafft habe, die er jedoch nicht ohne besondere Aufforderung bereit sei zu hissen. Er gehöre keiner Gliederung der Partei an. Weiter heißt es da: „Früher hat Statz der Zentrums-Partei angehört. Auch heute ist seine konfessionelle Bindung nicht von der Hand zu weisen." (...)

Der Leiter der Staatspolizeistelle Düsseldorf schreibt am 28.4.39 in seiner Antwort an die Reichsschrifttumskammer, Statz hat „bisher nichts getan, was erkennen lässt, dass er sich dem nationalsozialistischen Staat gegenüber irgendwie verpflichte fühlt." Am 15.4.39 heißt es in einer politischen Beurteilung durch die NSDAP - Kreisleitung Prüm, Statz habe anlässlich einer Betriebsversammlung „am Tage der nationalen Arbeit, 1.5.37, am Schluss nicht mit Sieg Heil auf den Führer sondern „Sieg Heil auf unser geliebtes Vaterland" gegrüßt. Und weiter: „Dass sich diese bewusst ablehnende Haltung eines Betriebsführers auch auf seine Gefolgschaft auswirkt und diese in ihrer Lauheit bestärkt, ist erklärlich. Der derzeitige Betriebsleiter des Werkes (ein Vetter des St.) ist in keiner Gliederung oder dergleichen tätig, hat noch nie eine Veranstaltung oder Versammlung der NSDAP besucht und hält sich von allem Geschehen desinteressiert zurück."

Die Beispiele zeigen, Statz stand in seiner Heimatstadt Düsseldorf und an seinem Arbeitsplatz Birresborn unter Beobachtung der Partei und damit der Staatspolizei. In die Reichsschrifttumskammer wurde er wegen politischer Unzuverlässigkeit nicht aufgenommen.

Statz war nicht bereit, sich eine Meinung aufzwingen zu lassen. Als anlässlich des Festes zum 10 jährigen Bestehen der „Düsseldorfer Jonges" der Gauleiter Florian in seiner Festrede forderte, die Aufgaben der Heimatvereine im Sinne Großdeutschlands auszurichten, stand dies deutlich gegen den Individualismus der Heimatfreunde und zielte auf Gleichschaltung im Interesse der Partei. Heimatverbundenheit nach dem Verständnis der „Düsseldorfer Jonges" und anderer Heimatvereine meinte Anerkennung und Erhaltung regionaler und damit heimatgebundener Eigenarten und Besonderheiten, also das Gegenteil von großdeutscher Gleichmacherei.

Statz bezog in aller Öffentlichkeit sofort Stellung gegen die vom Gauleiter vertretene Auffassung.

Am 22.7.1943 besuchte L. Statz in Begleitung seines Angestellten und Bezirksleiters W., dem er im Grunde vertraute, den Kantinenwirt Förster der Goeben - Kaserne in Trier, um über Lieferungen von Mineralwasser und Limonade zu verhandeln. Nach Abschluss der geschäftlichen Gespräche kam es zu einer Unterhaltung, die am 1.9.1943 zur Verhaftung des L. Statz durch die Gestapo führten.

In der Darstellung der Geschehnisse dieses Tages ist man auf die Ausführungen in der Anklageschrift angewiesen. Danach erzählte Statz den Eheleuten Förster von den Zuständen in den von Luftangriffen geschundenen Städten und von den Ängsten und Befindlichkeiten der gequälten Bevölkerung. (Während es in der Anklageschrift heißt, er habe die Lage „in den schwärzesten Farben geschildert" und geäußert, „die Bevölkerung sei der Verzweiflung nahe'', behauptete Statz in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof, „er habe die Haltung der Bevölkerung geradezu als bewunderungswürdig bezeichnet".)

„Als er dann", so heißt es weiter, „mit W. allein am Tisch saß, erklärte er: „Den Krieg haben wir schon verloren, als wir ihn angefangen hatten. Es ist ein Jammer heute in Deutschland zu leben. In den vereinigten Staaten von Europa von Amerikas Gnaden lässt es sich bestimmt besser leben". Auf die von W. geäußerte Überzeugung, Deutschland würde den Krieg gewinnen, entgegnete Statz: „Ich will Ihnen Ihren Glauben nicht rauben, es wird aber die Zeit kommen, das Sie mir Recht geben müssen". Als W. beharrte, „der Führer werde den Laden schon schmeißen", meinte sein Chef: „ Ihr seid alle so fanatisch, dass Ihr die Propaganda von der Wirklichkeit nicht unterscheiden könnt."

Die Wirtin, Frau Förster, die Teile des Gespräches mitbekommen hatte, mahnte Herrn Statz zur Vorsicht.

Doch, so die Anklageschrift, dieser fuhr... fort: "Den Bombenkrieg haben wir doch angefangen. Jetzt, wo wir auch etwas auf den Hut bekommen, schreien wir Zeter und Mordio. Beim letzten Angriff auf Düsseldorf wurden 2 Millionen kg Bomben abgeladen. Das wäre alles nicht der Fall, wenn wir nicht damit angefangen hätten".

Als W. erklärte, bevor die Bolschewisten nach Deutschland kämen, würde er seine Frau erschießen, damit sie nicht in deren Hände geriete (ein Satz, der aus dem Munde eines Mannes, der auf den Sieg des Führers setzt, recht merkwürdig klingt - Anmerk, d. Verf), erwiderte der Angeklagte: „Lassen Sie sich doch nicht von den gleichgeschalteten Blättern verhetzen. Der Kommunismus ist nicht so, wie er hingestellt wird. Bei uns wird immer von den Elendsquartieren in Russland gesprochen, dabei haben wir selbst noch Elendsquartiere in rauen Mengen. Der Russe kann was und arbeitet willig, das sehen wir an unseren Ostarbeitern. •'

 

Quelle:  Walter Kaulen: Birresborner hingerichtet! In: Birresborn im Wandel der Zeit, Heft 4 o.J.
Trierer biographisches Lexikon
Predeek, Rudolf: Die rote Robe. Der Fall Leo Statz, Düsseldorf 1948